Vieles haette ich verstanden, wenn man es mir nicht erklaert haette

Sonnenuntergang

... die romantische Stunde vor der Blauen Stunde ...

Es gibt einen Moment am Tag, da wird Tante Gerti ganz romantisch blümerant. Wenn sich der Tag heimelich rotgold strahlend verabschiedet und den Weg der Nacht bereitet, entsteht dieser fremdartig selige Blick in ihrem Gesicht. Minutenlang sitzt sie versteinert auf der ausgefransten Bastmatte am Südstrand von Egmond aan Zee und starrt zum Horizont. Langsam verschwindet der rote Feuerball zischend im Meer. Und damit das herrliche Naturspektakel auch gebührend honoriert wird, bekommst Du auch gleich eine Fleissarbeit von Deiner liebsten Tante verpasst:

>> Mach mal Fotos! <<

Wie gewohnt schaltest Du unversehens, zückst die Digicam, stellst auf Weitwinkel und blitzt los. Und zur Sicherheit machst Du noch ein paar Fotos ohne Blitz.
Tja...
Ebenfalls wie gewohnt prasselt am späten Abend, eine gute Stunde nach den zahllosen kleinen Absackern im zugigen Strandpavillion am maroden Küchentisch des Komfort-Sommerhuis eine Mischung aus fassungslosem Gelächter und hysterischen Krampfgeschrei auf Dich ein, als Du Tante Gerti Deine künstlerischen Ergüsse präsentierst. Ein kleiner weißer Stecknadelkopf vor einem weißen farblosen Himmel sind noch die besseren Fotos, verglichen mit den ganzen fast schwarzen Fotos, die ebenfalls ein kleiner weißer Stecknadelkopf krönt.

Abends auf Lanzarote
Punta Sabbione, Hafeneinfahrt nach Venedig
Marina di Cecina in der Toscana  --  Italien

Aus meiner Serie Istrien / Kroatien

Aus meiner Serie Lanzarote

Was um Himmels Willen hast Du denn nun wieder falsch gemacht? Schließlich hast Du doch extra das
Profifotografen-Programm Deiner 32 Megapixel-Mini-Digicam benutzt! Wie sagte der freundliche Fachverkäufer im Baumarkt noch während Du Dein Digicam-Schmuckstück geizig und geil erworben hast....?

"Einfach drauf drücken, die Kamera macht den Rest."

Und das hat sie auch und zwar deftig.
Sauer und tiefstens in Deiner Ehre gekränkt ziehst Du Dich in Dein Kämmerchen zurück und denkst Dir:

>> Ich bin doch nicht blöd... <<.



Um nicht nachhaltig Dein Erlebnis-Wochenend-Trip zum Erlebnis der besondernen Art verkommen zu lassen, versuchen wir einfach mal herauszufinden, was denn da eigentlich so fürchterlich schief ging.

Deine Kamera hat prinzipiell noch nicht mal was falsch gemacht. Der
AWB (Automatischer Weißausgleich) hat den
Rot-Gelb-Stich sauber rausgefiltert und so einen neutral weißen Himmel gezaubert. Die
automatische ISO-Anpassung hat erkannt, dass es ein dunkles Umfeld vorfindet und so den ISO-Wert auf Maximum erhöht (so wirkt sie einer Unterbelichtung entgegen); leider werden Deine Fotos dadurch sehr grobpixelig und verrauschen. Die von Dir gewählte Weitwinkeleinstellung sorgt dafür, dass jede Menge Himmel und Meer auf´s Bild kommt. Durch diesen optischen Trick verkleinert sie jedoch die Sonne. Als Gesamtheit entsteht ein neutral weißes und korrekt belichtetes Bild mit einer fliegenschißkleinen Sonne am Horizont.

Bei den Fotos mit
eingesetztem Kamerablitz hat die Kamera ebenfalls den AWB eingesetzt und den "Farbstich" des Sonnenunterganges weggerechnet, den ISO-Wert dagegen auf einen mittleren Wert eingestellt und die Belichtung auf die Leuchtkraft Deines Kamerablitzes abgestimmt. Dummerweise hat so ein Blitzchen eine maximale Reichweite von guten 5 Metern. Alles, was Du in diesem Abstand zur Kamera fotografierst, wird ausreichend hell belichtet. Vielleicht solltest Du einfach mal den Test machen und von Deinem Kamerastandpunkt aus fünf große Schritte in Richtung Sonne gehen.
Na?
Ich denke mal, Du bist noch nicht einmal bis zum Meer gekommen und hast somit nur sandige und keine nasse sandige Füsse. Von hieran bis zur Sonne wird alles unterbelichtet. Nur die Sonne (quasi als eigener kleiner Blitz am Horizont) ist als Punkt korrekt belichtet (vielleicht sogar noch ein bißchen Himmel direkt drumrum).

Am Cap de Cavalleria auf Menorca

Aus meiner Serie Menorca

Um schöne stimmungsvolle Fotografien vom Sonnenuntergang zu erreichen, mußt Du also Sachen machen, die "eigentlich" nicht der korrekten Belichtungsroutine der Digicam entsprechen.
Durchaus hilfreich sind sogenannte Sonnenuntergangsprogramme Deiner Digicam. Sie steuern zumindest den AWB (kein Filtern der Färbung des Himmels) und schalten den Blitz aus. Manche Programme färben das Bild künstlich rotorange ein, um den natürlichen Effekt zu verstärken. Meine Empfehlung ist aber, diese Programme nicht zu nutzen, sondern folgendermassen vorzugehen:



R@lfonso online Sonnenuntergangs-Tipp

1. Rechtzeitig eintreffen
So ein Sonnenuntergang dauert einerseits recht lange, unvorbereitet ist er verdammt kurz

2. Stativ nutzen und die Kamera schon fertig aufbauen
Alternativ geht auch eine Mauer, ein Baumstumpf, fester Zaun.... was Du willst. Richte die Kamera nur genau gerade zum Horizont aus, jede Form von "Schief" fällt sofort negativ auf. Hat Deine Kamera oder Dein Objektiv einen Bildstabilisator? Auf dem Stativ (auch auf der Mauer) schaltest Du ihn besser ab, sonst kann es zu Unschärfen und erhöhtem Energieverbrauch kommen. Die Elektronik versucht sonst unnötig, Erschütterungen auszugleichen und kann sich dabei arg verzetteln.

3. Hier ist Länge tatsächlich das Maß aller Dinge,
denn beim Sonnenuntergang kann es gar nicht lang genug sein...
Bau das stärkste Tele auf die Kamera, das Du besitzt. Schalte Deine Digicam auf maximales Heranzoomen (Tele). Nur ein starkes Tele holt Dir die Sonne optisch heran und macht aus dem Stecknadelkopf einen erkennbar großen Feuerball! Digitalzooms darfst Du auch hierfür, wie schon in diversen anderen Rubriken erwähnt, getrost vergessen. Sie "vergrößern" die Sonne nicht optisch und sorgen nur für eine schlechtere Bildqualität.

4. AWB aus und am besten manuell auf Sonnenschein (helles Tageslicht) stellen

5.
ISO auf geringste Zahl stellen (ISO 50 oder ISO 100); also ISO-Automatik ausschalten

6. Falls die Möglichkeit besteht (DSLR-Besitzer aufgepasst!) die Kamera auf Zeitautomatik stellen
und als Blende f8, f11 oder f16 wählen. Die dazu passende Belichtungszeit steuert Deine Kamera dann automatisch (daher der Begriff Zeitautomatik). Durch die kleine Blende erzielst Du eine größere Schärfentiefe, aber als besonderer Vorteil verminderst Du interne Reflexionen und Schwächen im Objektiv und die Sonne wird präziser und runder abgebildet. Die längere Verschlusszeit ist für Dich ja kein Problem: Du benutzt ein Stativ und Deine Sonne steht still. Verwacklungen sind demnach auszuschließen.

7. Ein paar Probeaufnahmen schießen
und kritisch Deine kleinen Werke auf dem Display begutachten. Gerade bei Sonnenuntergängen wirken ein bis drei Belichtungsstufen weniger als die Kamera errechnet, stimmungssteigernd. Die Farben werden intensiver und leuchtender. Also, manuell in die Belichtung eingreifen. Falls das nicht geht, die Werte der korrekten Belichtung merken und manuell um ein bis drei Stufen geringere Belichtungswerte einstellen.

8. Fotografiere auch bevor die Sonne scheinbar die Meeresoberfläche berührt schon ein paar Fotos.
Ich habe es schon häufig erlebt, dass die Sonne plötzlich in vorher unsichtbaren Schleierwolken verschwindet und der finale Höhepunkt (Sonne sinkt ins Meer) ganz einfach ausfällt. So hast Du wenigstens ein paar Fotos im Kasten.

9. Kleine Zweige schemenhaft im Vordergrund
(Dünengräser o.ä.) geben dem Bild eine besondere Note.

10. Warte nach dem Versinken der Sonne noch eine halbe Stunde.
Kurz vor dem Beginn der Blauen Stunde verändert der Himmel häufig minütlich seine Farben. Jetzt entstehen sehr stimmungsvolle Fotografien!

11. Bei Portraits vor der untergehenden Sonne benötigst Du auf jeden Fall einen Aufhellblitz
(ich gehe mal davon aus, dass Du keine Profi-Reflektoren zum natürlichen Aufhellen dabei hast :-)) ). Der Blitz hellt das im Schatten liegende Gesicht auf, die längere Belichtungszeit belichtet den Sonnenuntergang dahinter richtig (bei Digicams auch oft Nachtportrait, Langzeitsynchronisation genannt). Gleiches gilt für Dinge, die im Gegenlicht zur untergehenden Sonne nicht schwarz (als Silhouette), sondern erkennbar richtig belichtet sein sollen.

12. Nachbearbeitung am Blechotto
Am besten nimmst Du Sonnenuntergangsfotografien mit dem RAW- Format auf. Es gibt Dir am PC die besten Möglichkeiten zur Nachbearbeitung. Eine leichte Kontraststeigerung und eine höhere Farbsättigung "machen mehr aus Deinen Bildern". Eine leichte Ausschnittsvergrößerung und/oder Korrektur des Auschnitts geben Deinem Foto zusätzlichen Pepp.




Wenn Du diese Tipps versuchst anzuwenden, werden Dir ganz sicher stimmungsvolle Fotografien vom Sonnenuntergang gelingen und Tante Gerti die Freudentränen in Strömen fließen, auf dass noch mehr Flecken im Sommerhuis-Teppichboden entstehen....

Bei Umag in Istrien, Teil von Kroatien

Aus meiner Serie Istrien / Kroatien

Viele Fotofans haben mich zum Thema Sonnenuntergang angesprochen und hätten gerne genauere Angaben zur Einstellung an der Kamera. Das klassische Kochbuch, mit dem Dir jede Suppe gelingt, gibt es in der spannenden Welt der Fotografie leider nicht. Auch die besten Erfahrungswerte in vergleichbaren Situationen, nicht nur beim Sonnenuntergang, versagen plötzlich und auf der Speicherkarte landet Murks.

Mein Spruch tagsüber am schönen Meer lautet immer: "Jeden Tag schimmert das Meer anders und in anderen Farben" (so mancher Fotofan, der mit mir unterwegs war, wird jetzt ein Lächeln auf den Lippen zeigen...). Anfügen könnte ich nun: und in anderen Lichtwerten. Das gilt auch für den Sonnenuntergang und insbesondere für die anschließende Zeit nach dem letzten Zischen des Sonnenballes im Meer. Es ist jeden Abend anders! Darum funktioniert auch das Kochbuch nicht. Passt heute eine Kombination aus Blende und Verschlusszeit perfekt, ist es genau diese Kombination, die der Grund Deines morgigen Scheiterns sein wird.

"Ja Ralfonso, aber vielleicht ein paar Anhaltswerte, so grob...?"

Sonnenuntergang in Zingst

Du musst gar nicht einmal um den halben Erdball, um schöne Sonnenuntergänge zu erleben. Dieses Foto entstand in Zingst am Darß an der Ostsee mit einer DSLR und 500mm Brennweite (umgerechnet auf Kleinbild). Die Belichtungswerte entsprechen in etwa genau den Tipps in dieser Rubrik: ISO 50 / f13 / AWB auf Sonnenlicht / 1/2000sec.

Leider nein, auch die groben Anhaltswerte werden sicher nicht passen. Aber es gibt noch ein paar speziellere Tipps, die Dein Sonnenuntergangs-Vorhaben mit Erfolg gelingen lassen (können).

zu Tipp 3: es muss nicht immer der große rote Feuerball sein (wie im Bild oben), setze stattdessen oder auch ergänzend ganz bewusst auf die perspektivische Wirkung des Weitwinkels. Die Betonung liegt hier auf „bewusst“ und nicht auf Weitwinkel. Ist Dir der Himmel mit dem großen isolierten Feuerball (und sonst nichts drumherum) zu langweilig, entsteht Dein perfektes Sonnenuntergangs-Foto erst durch Einbinden des Vordergrunds (wie gesagt bewusst, geht in Richtung Tipp 9).

Ein Beispiel macht es deutlicher:

Du stehst am Strand, die Sonne bereits tief und rötlich am Himmel. Die eine Version (Tipp 3) ist das Heranzoomen der Sonne per Tele und als Ergebnis bekommst Du den großen Feuerball am rotorangenen Himmel. Vor Deinem Stativ am Strand und auch in den auslaufenden Wellen liegen ein paar große Steine, an denen sich das Meer bricht. Die sieht man auf Deinem Feuerball-Tele-Sonnen-Foto logischerweise nicht. Im starken Weitwinkel kommen sie jedoch auf´s Bild, also gestaltest Du Dein Sonnenuntergangsfoto bewusst. Du gehst mit Deinem Stativ auf Tauchstation „in die Hocke“. Schon allein dadurch veränderst Du die Wirkung Deines Bildes dramatisch. Die großen Steine wirken plötzlich völlig anders, haben nun etwas von Felsen im Wasser. Da Du aber ein besonderes Foto möchtest, strebst Du weiche verwischte Wellen an, die die Steine in dieser romantischen Szenerie förmlich umschmeicheln (Tante Gerti haut sich gerade vor Rührung noch ein Gläschen Rotwein auf Ex rein…). Du wählst also eine kleine Blendenöffnung für eine großartige Tiefenwirkung (f22, f32) und kommst so automatisch in den Bereich von Deiner benötigten langen Belichtungszeit. Die Zeitautomatik wird vermutlich einen Wert um 1/2 Sekunde bis 1 Sekunde wählen. Das dürfte schon reichen, um dem Wasser einen besonderen Ausdruck zu verleihen und die Wellen verschwommen und unscharf, dagegen die Steine und die Sonne knackescharf abzubilden.

So hast Du trotz einer kleiner abgebildeten Sonne auf Deinem Foto (verglichen mit dem großen Tele-Sonnenball) ein spannendes und fesselndes Sonnenuntergangsfoto. Die wirklich zu wählenden Einstellungen von Blende und Verschlusszeit musst Du vor Ort ausprobieren (Thema „Kein Kochbuch“). Vielleicht werden die Wellen erst bei 3 Sekunden richtig samtweich, vielleicht brauchst Du dafür auch nur die Blende f11 oder im anderen Fall zusätzlich einen verdunkelnden Graufilter vor dem Objektiv.

Am Gardasee

Als Beispiel für ein Sonnenuntergangsfoto mit “kleiner Sonne”, sprich Weitwinkel anstatt Tele.
DSLR 28mm f8 ISO 100 1/60sec
Am Gardasee

Im Tipp Nr. 6 erwähne ich die Zeitautomatik, da Dir die eine Hälfte der Belichtungseinstellung von der Kamera abgenommen wird. Wichtig für die Wirkung Deines Fotos ist jedoch die Stelle, an der Du Dir die korrekte Lichtmenge aus Deinem Motiv holst. Da es sich bei einem Sonnenuntergang immer um eine Gegenlichtsituation handelt, schätzt die Kameraautomatik die Belichtung fast immer falsch ein. Die Kamera wird somit eine Neigung zur Unterbelichtung haben, was manchmal auch ganz klasse rüberkommt auf dem Foto. Tiefschwarze Silhouetten vor einem glutroten Himmel nebst Sonne, wie auf dem Foto vom Gardasee oben.

Möchtest Du aber noch etwas von den Silhouetten erkennbar haben, musst Du aktiv werden. Entweder Du belichtest einfach pauschal etwas über (z.B. + 0,7 bis + 1,3 EV Belichtungsstufen), was aber, wie gesagt, pauschal ist und selten zu richtig passenden Resultaten führt. Oder Du nutzt die Spotmessung Deiner Kamera (die gibt’s an fast allen DSLR und vielen höherwertigen Kompakten) und zielst auf eine mittelhelle Stelle am Himmel neben der Sonne oder bei unserem Beispiel vom Meer, auf die glitzernde Wasseroberfläche. Mit diesem kleinen Trick verrätst Du der Kameraelektronik, was für Dich wirklich wichtig in Deinem Motiv ist und lässt sie das berechnen: das Ergebnis ist ein korrekt belichtetes Sonnenuntergangsfoto mit erkennbarem Vordergrund. Passt Dir die Berechnung der Kamera nicht so richtig, korrigierst Du diesen Wert geringfügig nach oben oder unten. Entweder durch Ändern der Belichtungskurve (Override), oder Du stellst Deine Kamera einfach auf manuell um und arbeitest mit den gemessenen Werten als Basis. Über eine kleine Belichtungsreihe testest Du jeweils die nächsthöheren oder niedrigeren Belichtungsstufen aus und ertastest Dich so zum perfekten Sonnenuntergang.

Bei so einer ausgleichenden Belichtung mit einer Anpassung der schwarzen Silhouetten wird Dein Foto jedoch weniger leuchtend und kontrastreich farbig werden. Dafür erkennt man die Schatten. Eine Person vor einem Sonnenuntergang, deren Gesicht zu Dir gerichtet ist und ohne korrigierende Eingriffe fast immer im schwarz unerkennbar werden würde, kannst Du so auch sichtbar machen. Speziell bei Personen im Vordergrund und nahe Deiner Kamera kann auch ein Aufhellblitz (Tipp 11) Wunder wirken (ja, sogar der eingebaute Blitz Deiner Kamera). Die generelle Vorgehensweise bei Nachtportraits, auch abseits des Sonnenuntergangs, findest Du in der Rubrik
Nachtportrait per klick hier.
Ebenfalls sehr gut einzusetzen und im Ergebnis sehr effektiv sind Reflektoren. Es gibt bereits sehr handliche und faltbare Reflektoren, die Du auch mühelos transportieren kannst in der Fototasche. Wenn ein Helfer den Reflektor so ausrichtet, dass das Licht der Sonne auf den Reflektor fällt und sie auf das Gesicht reflektiert, hast Du Dein Model im gleichen Farbton der Szenerie ausgeleuchtet. Und das ohne auf den farbigen und kontrastreichen Effekt der Sonnenuntergangs-Stimmung verzichten zu müssen, da Du ja nicht ausgleichend und korrigierend irgendwelche Schatten erhellen musst. Das Gesicht wird durch das reflektierte Licht quasi aus dem Schatten raus “ins Licht” geholt. Das folgende Foto lebt allerdings genau aus dem silhouettenhaften Bildaufbau, ein Aufhellen oder ausgleichendes Belichten hätte die Stimmung zerstört:

 „Und wie ist das beim Sonnenaufgang?“

Diese Frage habe ich bisher recht schnell beantwortet mit einem schlichten „Genauso, nur umgekehrt.“
Da es im Nachhinein dann aber doch zu zahlreichen ergänzenden Nachfragen kam,
gibt’s das „Genauso, nur umgekehrt“ etwas detaillierter.


Der Ablauf hinsichtlich der Farbtemperaturen des Lichtes und des Standes der Sonne ist beim Sonnenuntergang:

- Goldene Stunde spätnachmittags, Sonne steht bereits recht schräg, lange Schatten
- Sonnenuntergang, Sonne verschwindet am Horizont
- Rotgelbliches Nachglühen, Horizont und Himmel noch recht hell, Sonne ist untergegangen
- Blaue Stunde, Himmel geht von rotgelb über violett immer mehr in blau über, wird dunkler
- Nachtaufnahme, Himmel ist schwarz, sternenklar und / oder der Mond scheint


Die fotografischen Besonderheiten, die Du zum Beispiel während der
Goldenen oder Blauen Stunde beachten solltest, findest Du in den jeweiligen Rubriken der Fotoschule.

Blaue Stunde in Zingst

Eine gute Stunde nach dem Sonnenuntergang sah der Himmel so aus. Meine geliebte Blaue Stunde von der schönsten Seite. Die DSLR war bereits in der Ferienwohnung und eigentlich wollte ich gar nicht mehr fotografieren, sondern den abendlichen Strand genießen. Aber was macht so ein Foto-Junkie...? Genau. Er zieht das aus der Tasche, was noch da ist. So quetschte ich aus dem iPhone raus, was eben ging. Und ich finde, das Quetschen hat sich gelohnt.
Im Grunde hätte dieses Foto genauso gut auch morgens, eine halbe Stunde vor dem Sonnenaufgang entstanden sein können (mal angenommen, die Sonne würde da aufgehen, wo sie untergegangen ist...); also rein fotografisch gesehen.
Entstanden in Zingst an der Ostsee

Der Ablauf beim Sonnenaufgang ist genau umgekehrt:

- Nachtaufnahme, Himmel ist schwarz, sternenklar und / oder der Mond scheint
- Blaue Stunde, Himmel geht von schwarz immer mehr in dunkelblau und blau über
- Rotgelbliches Vorglühen, Horizont und Himmel werden heller, Sonne geht gleich auf
- Sonnenaufgang, Sonne erscheint am Horizont und es wird schnell heller und farblich neutraler
- Goldene Stunde vormittags, Sonne steht noch schräg, steigt weiter auf, lange Schatten

Im Gegensatz zum Sonnenuntergang beginnen die einzelnen Phasen immer mit der intensivsten Einstellung und werden dann neutraler. Wenn beispielsweise der Himmel beim Sonnenuntergang am schönsten genau in dem Moment des Untergehens der Sonne ist und Du vorher nur leichte, schwächere Farbgebungen am Himmel gesehen hast, beginnt der Sonnenaufgang genau mit diesem Moment. Die Intensität der Färbung nimmt mit der Zeit (in der Regel wenige Minuten) nicht mehr zu (wie beim Sonnenuntergang), sondern ab.

Gleiches ist während der Blauen Stunde. Am Abend kannst Du im Verlauf der Minuten mit einer intensiveren und tiefer blau werdenden Farbe am Himmel rechnen. Morgens startet Die Blaue Stunde quasi mit dem Höhepunkt und der kräftigsten Farbe und verliert minütlich an Intensität. Das muss nicht nachteilig sein und das Empfinden am frühen Morgen ist sicher ähnlich intensiv, wie das abendliche Spektakel. Fotografisch kannst Du jedoch nicht gelassen abwarten und die Sonne mal laufen lassen, um Dich zum besten Bild hinzubewegen. Morgens müssen die Fotos zum richtigen Moment passen, schon eine Minute später kann der Himmel anders aussehen. Unter Umständen ist der schöne Spuk innerhalb kürzester Zeit vorbei und es ist schlagartig „Tag“, ganz ohne glutroten Himmel. Den Sonnenaufgang musst Du somit im Dunkeln mit einsatzbereiter Kamera erwarten und relativ schnell reagieren, wenn Dein Motiv passend ist (also die Sonne erscheint bzw. ganz zu sehen ist).

Ich bevorzuge daher immer den Sonnenuntergang, weil es da standardmäßig gemächlicher zugeht. Außerdem mag ich das frühe Aufstehen, meistens verbunden mit den kühlen Temperaturen der vergehenden Nacht, nicht. Wenn Dein Urlaubsort jedoch so liegt, dass Du in
Richtung Osten auf´s Meer blickst und westlich ein Bergmassiv steht, bleibt Dir im Grunde nichts anderes übrig. Andererseits gibt´s genügend Frühaufsteher, die diesen wunderschönen Moment des beginnenden Tages lieben. Da spricht nichts gegen ein paar Fotos, die diesen Moment gebührend einfrieren.

Die Blaue Stunde kurz vor Sonnenaufgang frühmorgens in
Ca´n Picafort auf Mallorca und ein Bild weiter der anschließende Sonnenaufgang:

In Can Picafort vom Bett des Hotelzimmers aus geschossen
In Can Picafort vom Bett des Hotelzimmers aus geschossen

Die beiden Fotos zeigen, dass die Färbung des Himmels und die Intensität des “Sonnen-Schauspiels” morgens und abends rein fotografisch gesehen gleich ist. Darum gelten auch dieselben fotografischen Vorgehensweisen und Kameraeinstellungen. Das gilt insbesondere für den Bildaufbau und den Vordergrund, der ein Sonnenuntergangs / Sonnenaufgangs-Foto erst richtig spannend machen kann. Die beiden folgenden Fotos zeigen das recht deutlich, im Grunde ist es der schattenhafte Vordergrund, der dem Foto den Ausdruck verleiht:

Sonnenuntergang auf Menorca
Im Hafen von Mao

Und nicht vergessen, der eigentliche Spaß beginnt nach dem Sonnenuntergang zu Beginn der Blauen Stunde. Der Himmel zeigt sich in den schönsten Farben und Du wirst meistens reich belohnt für´s Ausharren, wenn alle anderen um Dich herum bereits gehen. Die Blaue Stunde hat in der Fotoschule allerdings eine eigene Rubrik.

Waehrend meiner AIDA-Reise im Hafen von Rom

...und hier gehts weiter in der Fotoschule...


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