Der erste Gedanke, dass hier einfach nur die Kamera schief gehalten wurde, bestätigt sich nicht. Das architektonisch höchst ansprechende schöne Wohn-Silo verläuft in seiner ganzen Höhe (linke Hauswand) parallel zum Bildrand. Also schief gehalten wurde hier erst mal nichts. Andererseits ist aber auf dem Foto nichts wirklich gerade. Selbst der kleine Anbau im Vordergrund ist schief, von den Balkonen im Wohnblock rechts scheinen die Grappaflaschen zu rollen und lediglich die Yucca vorne stemmt sich der schiefen Welt entgegen.
"Sah das da echt so aus?"
Was die Bauten als solches angeht, leider ja. Das Foto entstand im italienischen Follonica während meiner Toskana-Reise und ich war schon ziemlich geschockt: das ist also die Toskana, von der alle schwärmen…?!?
Aber hier geht es um Foto-Fehler und nicht um Landschaften. Die Betonklötze waren in echt natürlich nicht schief, auch nicht der kleine Anbau vorne und der Wohnblock rechts im Bild stand ebenfalls gerade. Was lief hier also so schief, dass auf dem Foto kaum was gerade ist?
Das Zauberwort heißt:
Stürzende Linien (okay, sind zwei Wörter)
Stürzende Linien sind auf Deinem Foto vertikale Linien und Kanten, die auf einen gemeinsamen Punkt zulaufen, obwohl sie in der echten Welt parallel laufen. Das passiert immer dann, wenn die senkrechten Geraden und Kanten Deines Motivs nicht parallel zur Sensorfläche liegen. Genau das Problem hatte ich hier, ich habe die Kamera stark verkantet und nach oben verschwenkt, um das blaue architektonische Wunderwerk ganz auf´s Bild zu bekommen (hinterher glaubt mir das sonst zuhause keiner…). Dadurch habe ich dem Streben der Linien Tür und Tor geöffnet. Damit es auch restlos danebengeht, stand ich nicht parallel vor dem Hochhaus, sondern etwas weiter rechts. So musste ich die Kamera auch perspektivisch seitlich verkanten, was dann die umfallenden Wohnblocks rechts kippen ließ.
Wie kannst Du das vermeiden?
Das wird schwierig, da sich nicht jedes Motiv so vor Deiner Kamera ausbreitet, dass Du es bequem auf´s Bild bekommst. Insbesondere in der Architekturfotografie kämpfst Du sicher „ständig“ mit stürzenden Linien. Die Momente, in denen Du Deine Kamera nicht oder nur ganz leicht verkanten musst, sind eher die Ausnahme. Manche Motive wirken sogar dynamischer und schlichtweg besser, wenn die Linien auf einen Fluchtpunkt stürzen. Das trifft auf unsere Follonica-Schönheit jedoch nicht zu. Wie Du stürzende Linien vermeiden kannst, war die Frage. Die Lösung ist einfach: die Kamera nicht verkanten, oder zumindest nicht mehr, als unbedingt nötig. Hier hilft möglicherweise die digitale Panoramafotografie weiter. Nimm einfach einzelne "gerade" Einzelfotos auf und setz sie später am Rechner zum Panorama zusammen.
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